Der Handlungsbedarf ist groß - doch die Energie- und Klimaziele für 2050 erscheinen häufig recht ambitioniert. Wir fragen in unserer sechsteiligen Reihe "Energie 2050": Werden wir diese Ziele erreichen? Und wenn ja, wie? Diese Woche präsentiert die Journalistin Susanne Ehlerding ihre Zukunftsvision.

Nach der Weltklimakonferenz 2015 in Paris war alles sehr schnell gegangen. Das klare Signal aller Länder der Erde, so bald wie möglich aus den fossilen Energien auszusteigen, hatte einen unerwartet starken Investitionsschub ausgelöst. Zehn Jahre früher als geplant, schon im Jahr 2040, war die Energieversorgung in Deutschland zu 95 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt.

Eigentlich war das gar nicht so schwierig. Sonne und Wind als Hauptquelle für kostenlosen Strom waren ja immer verfügbar. Durch den massenhaften Ausbau der Erneuerbaren fiel der Preis der Kilowattstunde Anfang der 20er Jahre unter das Niveau von neuen fossilen Kraftwerken.

Im Jahr 2050 ist auch das Speicherproblem technisch gelöst. Eine Vielzahl von Möglichkeiten wird dafür kombiniert: Wo Platz ist, lagert Warmwasser aus Solarthermie in großen, gut isolierten Speichern und bringt die Gebäude über den Winter. Nur an wenigen, sehr kalten Tagen muss mit einer elektrischen Wärmepumpe nachgeholfen werden. Bei dichter Bebauung wird von Anfang an der Wärmepumpe der Vorzug gegeben. Sie erzeugt aus einer Einheit Energie vier Einheiten Wärme. Elektrolyseure springen an, wenn mehr Strom aus Erneuerbaren verfügbar ist als gebraucht wird. Solche Anlagen können Wasserstoff aus Wasser erzeugen. Für den Wasserstoff wurde das riesige Erdgasnetz nach und nach umgerüstet.

Im Jahr 2050 kann es große Mengen des Gases über Monate speichern. Auch in den Kraftwerken wird Erdgas mehr und mehr durch Wasserstoff ersetzt. Die Angst der Energiewendeskeptiker, Deutschland könnte bei dunkler Flaute einen Blackout erleben, erwies sich deshalb als unbegründet.

Außerdem wurde das europäische Stromnetz mit verlustlosen, unterirdisch verlegten Gleichstromleitungen ausgebaut. Das neue Supergrid vernetzt die Wasserkraftwerke in Skandinavien, die Offshore-Windanlagen der Nordseeanrainer und die Solarkraftwerke in Südeuropa. So kann Strom schnell dorthin fließen, wo er gebraucht wird.

Am längsten hat die Energiewende beim Verkehr gedauert. Elektroautos für die private Mobilität verbreiteten sich langsam, aber stetig. Außerdem wurden die Städte so umgebaut, dass Wohnen und Arbeiten näher beieinander liegen und viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad machbar sind. Beim Schwerlastverkehr dagegen dauerte es lange, bis die Batterien der Elektromotoren mit der Energiedichte von Diesel mithalten konnten. Deshalb wurden viele Gütertransporte wieder auf die Schiene und das Wasser verlegt.

Beim Flugverkehr kam der Durchbruch im Jahr 2035: Airbus stellt den ersten Düsenflieger vor, der mit flüssigen Wasserstoff betankt werden kann. Die Entwicklung war schwierig, denn Wasserstoff ist ein aggressives Gas, für das neue, widerstandsfähige Turbinen entwickelt werden mussten.

Wirklich schwierig zu lösen waren am Ende aber nicht die technischen Probleme, sondern die gesellschaftlichen. Denn bei der Energiewende gab es auch Verlierer: Die großen Energieversorger, die viel zu lange auf fossile Erzeugung gesetzt hatten, verschwanden vom Markt und damit viele Arbeitsplätze. Nur wenige Unternehmen überlebten als Dienstleister für Energieeffizienz und dezentrale erneuerbare Anlagen.

Außerdem gab es harte Kämpfe um die knapper werdende Ressource Boden. Bürgerinitiativen wandten sich heftig gegen die Verspargelung der Landschaft. In einem Grundsatzurteil stellte das Bundesverfassungsgericht in den 20-er Jahren klar, dass der Kampf gegen den Klimawandel und die damit verbundenen Risiken Vorrang habe gegenüber regionalen Interessen. Es verpflichtete den Gesetzgeber aber zu einer besseren Bürgerbeteiligung. Damit, und mit der Ausschüttung einer Winddividende, konnte die soziale Akzeptanz von Windparks erheblich verbessert werden.

Insgesamt stellten die erneuerbaren Technologien den Vorsprung der europäischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt sicher. Dank der Energiewende ist Deutschland im Jahr 2050 nach China und den USA weiterhin die drittgrößte Exportnation der Welt.

Vor allem aber verhinderte die weltweite Energiewende die schlimmsten Folgen des Klimawandels. Im Jahr 2050 ist klar: Mehr als zwei Grad Erderwärmung werden bis zum Ende des Jahrhunderts nicht kommen. Saubere Luft für Menschen in den Schwellenländern und preiswerter Strom für mehr als eine Milliarde Menschen in den Entwicklungsländern, die bisher noch gar keinen Zugang zu Elektrizität hatten, sind ein erwünschter Nebeneffekt der Revolution im Energiesektor.

Susanne Ehlerding ist Redakteurin beim Tagesspiegel in Berlin und Mitglied bei den Energiebloggern. Sie betreibt das Blog Umspannen!, das sich mit innovativen Technologien für die Energiewende beschäftigt.

Quellen:

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Profilfoto Autor Sebastian Sebastian ist Autor dieses Artikels und unser Experte auf den Gebieten Heizsysteme und Wärmewende. Wenn Sie Fragen zum Artikel oder Ihrem Heizungswechsel haben, schreiben Sie ihm: fragen@thermondo.de.